Leidenschaft-Hund

Kastration, wann ist es sinnvoll?

Ein häufiges Thema das im Zusammenleben mit einem Hund, früher oder später auf den Tisch kommt, ist das Thema Kastration. Zumindest bei den Hundehaltern die Ihr Tier nicht ohnehin schon kastriert übernommen haben. Aber muss, sollte oder darf man wirklich jeden Hund einfach so kastrieren? Wo liegen die Unterschiede in den Formen der Kastration, wie lässt sich Verhalten durch eine Kastration beeinflussen? Welche Risiken gibt es zu beachten?

Wir sehen uns folgendes an:

  • Kastration oder Sterilisation, wo liegen die Unterschiede?
  • Was sagt der Gesetzgeber zu dem Ganzen?
  • Wann ist ein Hund überhaupt zeugungsfähig?
  • Wie beeinflusst eine Kastration das Verhalten des Hundes?
  • Wann ist eine Kastration aus Verhaltensbiologischer Sicht sinnvoll?

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Kastration oder Sterilisatuion?

Leider hält sich hier noch immer hartnäckig die Meinung das Rüden Kastriert und Hündinnen sterilisiert werden. Diese Meinung ist aber falsch da es sich hierbei lediglich um unterschiedliche Operationstechniken vollkommen Geschlechtsunabhängig handelt.

Auch wenn zwar in der Praxis fast ausschließlich immer die Kastration das heißt, die total Operation  (Ovariohysterektomie bei der Hündin) (Orchiektomie beim Rüden) die vollständige Entfernung der Hoden beim Rüden und die Vollständige Entfernung der Gebärmutter, samt Eierstöcke bei der Hündin durchgeführt wird, gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten bei der Hündin und eine weitere beim Rüden.

Die Sterilisation

Die Sterilisation kann sowohl beim Rüden als auch bei der Hündin durchgeführt werden. Bei der Sterilisation werden lediglich die Samenleiter beim Rüden und die Eileiter bei der Hündin abgebunden d.h. die Hoden des Rüden und die Eierstöcke der Hündin bleiben durch diese Form der Kastration weiterhin intakt und können auch so weiterhin Geschlechtshormone produzieren. Lediglich der Weitertransport und somit die Fortpflanzung wird dadurch unterbunden. Durch diese Methode bleibt der Hormonhaushalt des Tieres weiterhin vollkommen unberührt.

Ovariektomie – Entfernung der Eierstöcke bei der Hündin

Bei der Hündin gibt es noch eine weitere Form der Kastration und zwar „nur“ die Entfernung der Eierstöcke. Diese Kastrationsform wird in der Praxis nur sehr selten durchgeführt, auch diese Form der Kastration hat in erster Linie das Ziel die Hündin unfruchtbar zu machen, da sie durch die Kastration keine Eizellen mehr produzieren kann, allerdings auch keine Hormone mehr, was aus Verhaltensbiologischer Sicht eher wenig Sinn macht. Was allerdings für diese Form der Kastration spricht ist die Tatsache, dass die OP i.d.R Endoskopisch durchgeführt werden kann und somit für die OP nicht der ganze Bauchraum aufgeschnitten werden muss. Auch die Tiefe der Narkose ist normal geringer, wodurch auch ein geringeres OP-Risiko besteht.

Was sagt den eigentlich der Gesetzgeber dazu?

  • §6 Tierschutzgesetz
  • (1)Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn
  • 1. Der Eingriff im Einzelfall
  • a)Nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder
  • b)Bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen.
  • 5. Zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.
Welche Aufgabe hat der Darm

Dieser Paragraph sagt ganz deutlich das es nicht erlaubt ist einem Tier einfach ein gesundes Organ zu entnehmen, sondern bedarf immer einer konkreten tierärztlichen Indikation. D.h. dass ein Organ erst dann entnommen werden darf, wenn es erkrankt ist und nicht lebensnotwendig ist. Hierbei muss allerdings ausdrücklich erwähnt werden das eine eindeutige Erkrankung des Organs vorliegen muss und nicht wie es in der Praxis oft praktiziert wird, dass ein Organ einfach einmal entnommen wird, frei nach dem Motto, was erstmal draußen ist, kann hinterher ja schonmal nichtmehr krank werden.

Einen weiten Ausnahmegrund stellt die Verhinderung unerwünschter Fortpflanzung dar, allerdings muss man hier ganz klar sagen, dass in vielen Fällen auch einfach nur ein ausreichendes Management der betreffenden Tiere vollkommen ausreichen sollte. In ganz besonders harten Fällen könnte man ja auch über den Eingriff der Sterilisation nachdenken, bei dem zumindest nicht der Hormonhaushalt der Tiere durcheinandergewirbelt wird und es müsste hier keineswegs immer direkt die Total OP sein.

Wie hat es einst eine Trainerkollegin so schön auf den Punkt gebracht: Wer mit dem Hormonhaushalt seines Hundes nicht klarkommt, der sollte sich keinen halten! Wenn wir mal ehrlich sind letzten Endes ist es aber ja auch vollkommen egal ob der Hund abhaut, weil er sexuell übermotiviert ist, ob er abhaut, weil er jagdlich motiviert ist, ob er abhaut, weil er die Mülltonne des Nachbarn blündern möchte…. Wie so oft stellt sich wie bei so vielen Problemen die Frage; wirklich Verhalten oder einfach nur mangelhafte Erziehung?

Aber was stellen den nun medizinische Indikationen dar, die eine Kastration gerechtfertigen würden?

Beim Rüden

  • Traumatische, entzündliche, tumoröse Veränderungen der Hoden oder der Nebenhoden
  • Prostataerkrankungen (die sich nicht medikamentös behandeln lassen) oder Tumore
  • Kryptorchismus: hierbei handelt es sich um einen Hoden der im Bauchraum liegen geblieben ist. Wenn der Welpe zur Welt kommt, liegen die Hoden normalerweise noch im Bauchraum und steigen erst im weiteren Verlauf in den Hodensack ab. Beim Kryptorchismus tun sie das nicht, hier ist es so, dass einer oder beide Hoden einfach im Bauchraum liegen bleiben und nicht absteigen. Diese liegen gebliebenen Hoden sollten in jedem Fall entfernt werden, da sie ein hohes Risiko haben zu entarten.

Bei einseitigem Hodenhochstand besteht aber oft die Möglichkeit, nur den einen liegen gebliebenen Hoden entfernen zu lassen und den anderen im Hodensack zu erhalten. Durch diese Maßnahme, bleibt der Rüde auch weiterhin im Hormonstatus intakt. Allerdings sollte der Intakte Hoden des Rüden zusätzlich noch sterilisiert werden, um so eine Fortpflanzung zu vermeiden, da der Kryptorchismus leider auch erblich bedingte Ursachen haben kann, die sich nicht weiterverbreiten sollten.

Bei der Hündin

  • Übergangene Geburt / das heißt Welpen bleiben während der Geburt in der Gebärmutter zurück
  • Tumore
  • Gebärmuttererkrankungen,
  • Pyometra = eine Eitrige Gebärmutterentzündung
  • Eierstockerkrankungen z.B. Entzündungen, Zysten
  • Gewebevergrößerungen/Gewebsverlagerung dar Vagina während der Läufigkeit (hier verlagert sich das Gewebe der Vulva nach außen, wodurch ein hohes Entzündungsrisiko besteht
  • Scheinträchtigkeit- Mutterschaft mit sehr extremer Symptomatik
  • Progesteronabhängiger Diabetes melitus

Bei beiden Geschlechtern

  • Es gibt eine sogenannte Sexualhormonabhängige Epilepsie, diese Form der Epilepsie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie immer im Zusammenhang mit dem Zyklus der Hündin oder allgemein sexueller Aufregung auftritt.
  • Sexualhormonabhängige Otitis (Ohrentzündung)

Die Sache mit der Zeugungsfähigkeit - wann ist ein Hund überhaupt Zeugungsfähig?

Hier gibt es zwischen Rüde und Hündin durchaus Unterschiede, während der Rüde praktisch das ganze Jahr Zeugungsfähig ist (der Mann kann immer 😊) sind es Hündinnen nur während ihrer Läufigkeit.

Der Zyklus der Hündin wird in 4 Phasen unterteilt den Proöstrus, Östrus, Metöstrus und den Anöstrus.

Wie sich diese einzelnen Zyklusphasen im Einzelnen unterscheiden wollen wir uns nachfolgend einmal genauer anschauen.

Der Proöstrus oder auch Vorbrunst: Diese Phase dauert normalerweise zwischen 1-3 Wochen in dieser Zeit bereitet sich der Körper der Hündin auf eine bevorstehende Befruchtung vor, die Eizellen reifen heran, die Vulva schwillt an und in vielen Fällen verändert sich in dieser Zeit auch das Verhalten der Hündin. Sie wirkt allgemein zickiger und launischer, andere Hündinnen werden plötzlich als Konkurrenten gesehen, Rüden vermehrt weggebissen, oder auch ganz besonders als mögliche Partner umworben. Einige Hündinnen werden in dieser Zeit ihrem Besitzer gegenüber extrem anhänglich und wieder andere wollen in der Zeit einfach nur Ihre Ruhe haben.

Der Östrus oder auch die Brunst: In dieser Zeit setzt der Eisprung der Hündin ein, diese Phase dauert etwa 9 Tage, in denen die Hündin auch Fruchtbar und Paarungsbereit ist. Man erkennt diese Phase daran das die Hündin in dieser Zeit bei Artgenossenkontakt (nicht selten vollkommen Geschlechtsunabhängig) ihre Rute zur Seite schiebt. Diese Zeit ist auch gleichzeitig die Zeit in der Hündinnenbesitzer ganz besonders auf Ihre Hündin aufpassen sollten, wenn sie vermeiden wollen das sie ungewollt gedeckt wird.

Der Metöstrus die Nachbrunst: Nach der Zeit des Östrus schließt sich direkt der Metöstrus an und dauert ca. 4-9 Wochen. Das ist die Phase in der die Scheinträchtigkeit der Hündin einsetzt, im Falle das die Hündin nicht gedeckt worden ist. Diese Phase dient in der freien Natur vorwiegend dazu das die Hündin dem Rudel als mögliche Amme zur Verfügung stehen könnte. Auffällig in dieser Phase ist, dass die Hündinnen anfangen Nest zu bauen, das Gesäuge schwillt an, im Garten können ganze Wurfhöhlen ausgehoben werden und im Allgemeinen wirken diese Hunde auch eher ruhiger und anhänglicher. Nach dem Zyklus der Scheinträchtigkeit nach etwa 63 Tagen beginnt die Phase der Scheinmutterschaft, die sehr unterschiedlich verlaufen kann. Auch ob sie überhaupt eintritt hängt sehr stark von der individuellen Hündin ab. Die besonderen Gefahren die diese Phasen für die Hündin darstellen, ist die Gefahr der Milchleistenentzündung und der Gebärmuttervereiterung warum leider auch viele Hündinnen vorschnell kastriert werden, um diese Gefahr zu umgehen. Aber hier gilt ganz klar das vorsorgliche Entnehmen eines gesunden Organs ist laut Tierschutzgesetzt verboten und stellt keinen Grund für eine Kastration dar.

Der Anöstrus die inaktive Phase: Im Anöstrus herrscht etwa für 4-5 Monate Ruhe, die Hormone fallen auf ein sehr niedriges niveau an. Allerdings muss man hier dazu sagen, dass die Östrogenkonzentration einer intakten Hündin im Vergleich zu einer kastrierten Hündin noch immer um ein 4-faches höher ist.

Aber wann sollte man den nun einen Hund kastrieren lassen und wann besser nicht? Wie wirkt sich die Kastration auf das jeweilige Verhalten aus?

Die no go´s!

Studienzufolge werden die allermeisten Hunde kastriert, weil sich die Halter nach einer Besserung im Verhalten sehnen. Gefühlt alles was irgendwie unerwünscht ist, wird direkt mit den Hormonen in Zusammenhang gebracht. Viel größer ist dann aber am Ende doch die Überraschung, wenn der eigentlich nur jagdlich motivierte Hund, nach der Kastration plötzlich immer noch jagen geht, oder der Grenzenlose Junghund der nur aus einer Übersprungshandlung heraus seine Familie noch immer besteigt, obwohl doch eigentlich die Eier ab sind und nun endlich alles gut sein müsste….. müsste tja müsste, leider wird der Tatsache das Kastration nun mal keine Erziehung ersetzten kann, viel zu oft in den Hintergrund gestellt.

Aber wann ist den nun eine Kastration, ratsam, sinnvoll oder sollte vielleicht sogar eher nicht in Erwägung gezogen werden?

Kastration Aufgrund von Aggressionsverhalten

Viele Formen des Aggressionsverhalten lassen sich durch eine Kastration überhaupt nicht beeinflussen oder können sich im schlimmsten Fall sogar noch verschlimmern.

Im Falle einer Aggressionsproblematik würde eine Kastration lediglich im Fall der Wettbewerbsaggression/Satatusaggression und der Aggression im direkten Sexualkontext durch Sexualhormon gesteuertem Verhalten etwas bringen, z.B. der Rüde zeigt immer dann Aggressionsverhalten, wenn sich eine läufige Hündin in der Nähe befindet.

Alle anderen Formen der Aggression Angstaggression, Territoriales Aggressionsverhalten, Futteraggression, Resourcenagrression usw. laufen alle Sexualhormonunabhängig ab und erfahren durch eine Kastration keine Besserung, manchmal sogar ganz im Gegenteil!

Ein häufiger Grund warum gerade Rüden kastriert werden ist das unerwünschte Aufreiten auf Familienmitglieder, Kissen, Körpchen und andere im Haushalt lebende Hunde/Tiere. Was zwar nach außen oft nach viel Sex aussieht ist aber in Wirklichkeit oft nur ein Übersprungsverhalten das in erster Linie dem eigenen Stressabbau des Hundes dient, und hat so rein gar nichts mit einem gesteigerten Sexualverhalten zu tun.

Angstbedingtes Aggressionsverhalten

Im Falle des Angstbedingten Aggressionsverhaltens ist eine Kastration in jedem Fall abzulehnen! Aber warum ist das so?

Ein Hund der viel Stress hat, schüttet im Gehirn unheimlich viel Cortisol aus, vor allem Hunde die aus  schlechter Haltung kommen, lange Tierheimaufenthalten erleben mussten, einen Kulturschock erlitten haben z.B. schlecht sozialisierte Auslandshunde, leiden oft unter Angstzuständen und somit unter einem gesteigerten Cortisolspiegel im Körper da genau dieser Stress von Cortisol gesteuert wird. Genau diese Hunde sind oft die Hunde die sich nicht versuchen gegen diesen Stress zu wehren. Sie werden passiv, passen sich oft so lang es irgendwie geht den neuen Umständen an, zeigen immer mehr Inaktivität, Depressivität, und Lernschwäche, die Motivation nimmt ab, die Muskulatur wird weniger, all das sind Auswirkungen von einem zu hohen Cortisolspiegel im Körper. Im Verhalten werden sie aber leider nicht „nur“ Depressiv, sondern können durch zunehemenden Stresspegel auch leicht in ein Angstbedingtes Aggressionsverhalten umschwenken, und genau das kann schnell tükisch werden. Oftmals ist hier das böse Erwachen groß, wenn man diese Tiere noch dazu kastriert und auf einmal ein Hund der vor der Kastration noch keine Tendenzen gezeigt hat nach vorne zu gehen, auf einmal anfängt abzuschnappen. Warum ist das so? Vor allem die Sexualhormone haben die Wirkung das Angstzentrum im Gehirn zu dämpfen und somit auch die Ausschüttung von Cortisol zu dämpfen, was sich wiederrum positiv auf das Angstverhalten des jeweiligen Tieres auswirkt. Nimmt man dies diesen Tieren nun auch noch, ist es nicht verwunderlich, warum sich das Verhalten in den meisten Fällen sogar noch zusätzlich verschlimmern kann, da dem Körper einfach die Dämpfende Wirkung der Sexualhormone fehlt. Ich denke es liegt auf der Hand das man gerade diese Tiere nicht kastrieren sollte! Was LEIDER noch immer gerade von Tierschutzorganisationen gerne mal übersehen wird. Klar sollte man gerade bei Ängstlichen Hunden, Hunden aus unklarer Herkunft, Hunden ohne jeglichen Nachweis von möglichen Erbkrankheiten, Gendefekten usw. alles daransetzten, dass sich diese Tiere nicht weiter vermehren können. Aber eine Sterilisation würde in diesem Fall mehr als ausreichen, ohne dabei den Hormonhaushalt der ohnehin schon genug geschändeten Tiere durcheinander zu werfen.

Kastration Aufgrund Streunen

Hier ist eine Besserung nur dann zu erwarten, wenn das Verhalten immer im Zusammenhang mit der eigenen Läufigkeit steht „ja es gibt tatsächlich Hündinnen die Zuhause nichtmehr zu halten sind, wenn sie die Chance wittern von einem Mann begattet zu werden, auch wenn sich hier noch immer hartnäckig das Gerücht hält das diese Veranlagung nur Rüden in die Wiege gelegt wird, kann ich aus gutem Gewissen sagen, nein leider nicht, da sogar meine eigene Hündin „Kimba“ genau auf diesen Weg gezeugt wurde.

Natürlich gilt dieses Verhalten auch für den Rüden, allerdings muss man hier sehr aufpassen wie lange der jeweilige Rüde dieses Verhalten bereits zeigt, ich habe in meiner Praxis Rüden kennengelernt bei denen eindeutig feststand das ihr Streunern definitiv im Zusammenhang mit Läufigen Hündinnen stand, bei denen aber auch selbst nach der Kastration nur eine geringere Besserung eingetreten ist. Die Vermutung liegt nahe das sich dieses Verhalten über eine gewisse Zeitspanne hinweg auch so im Gehirn verankern kann, dass es nichtmehr „nur“ Hormongesteuert abläuft, sondern sich im Gehirn bereits fest als erlerntes Verhalten verankert hat.

Kastration Aufgrund Jagdverhalten

Hier kann man für beide Geschlechter nur ein ganz klares „NEIN“ aussprechen, auch wenn Umfragen zufolge sich viele Halter wünschen würden das sich das unerwünschte Jagdverhalten ihres Vierbeinigen Familienmitglieds ganz einfach mit dem Skalpell erledigen lassen würde, muss man hier leider ganz klar sagen, nö leider nicht, ganz im Gegenteil. Manchmal verstärkt sich dieses Verhalten sogar noch, da dem Hund in manchen Fällen ja gar nichts anderes übrig bleibt, als sich darüber seine Glücksmomente zu holen. Beim Jagdverhalten werden neben Adrenalin noch weitere körpereigene „Drogen“ freigesetzt, die sogenannten Glückshormone, darunter Dopamin, Serotonin und weitere Endorphine. All diese Hormone versetzen den Hund in einen geradezu „beflügelten“ Zustand. Dieser Zustand hat so rein gar nichts mit Sexualhormonen zu tun.

Das Markieren

Hier tritt nur eine Besserung ein, wenn es sich bei dem gezeigten Verhalten wirklich um das bewusste direkte Überpinkeln der gefundenen Pippispur handelt, z.B. Hündinnen die die Urinmarke Ihrer Konkurentinnen bewusst überpinkeln um von Ihr abzulenken, oder Rüden die dies bei Ihren gleichgeschlechtlichen Artgenossen tun. Aber auch bei Rüden die die Pipispur einer Läufigen Hündin wirklich übermarkieren um sie so für andere Konkurenten unsichtbar zu machen, hat eine Kastration Erfolg gezeigt. Das bloße Markieren auf der Gassistrecke unterliegt anderen Zusammenhängen und hat ebenfalls nur sehr wenig mit den Sexualhormonen des Tieres zu tun.

Kastration Aufgrund Futteraggression

Bei der Futteragression handelt es sich ebenfalls um ein Verhalten das durch Stresshormone sprich Cortisol gesteuert wird. Und hat ebenfalls nichts mit Sexualhormonen zu tun. Auch bei diesem Verhalten kann es im Falle einer Kastration leicht dazu kommen das sich das Unerwünschte Verhalten zusätzlich verschlimmert.

Aggression gegenüber Menschen

Gerade dieser Punkt ist ein sehr heißes Eisen, hier muss wirklich sehr genau hingeschaut werden, welche Motivation hinter diesem Verhalten steht. Ist es ein Verhalten das wirklich im direkten Zusammenhang mit dem Zyklus der Hündin steht, oder der Hypersexualität des Rüden, dann ist es durchaus möglich das durch eine Kastration eine Besserung erreicht werden kann. Handelt es sich bei dem gezeigten Verhalten jedoch um ein Cortisolgesteuertes Problem so sollte in jedem Fall die Finger davongelassen werden. Die Gefahr das sich durch Wegnahme der dämpfenden Wirkung der Sexualhormone dieses Verhalten noch zusätzlich verschlimmert ist einfach viel zu groß und sollte in der Praxis als grob Fahrlässig eingestuft werden.

Ein absolutes no go / Aggressionsverhalten der Hündin

Auf keinen Fall sollte man eine Hündin kastrieren lassen (natürlich nur wenn es medizinisch vertretbar ist) wenn es sich um eine Hündin handelt, die einen ohnehin schon sehr hohen Testosteronspiegel hat. Das sind oft Hündinnen die bereits im Mutterleib einem sehr hohen Testosteronspiegel (männliches Sexualhormon) ausgesetzt waren, weil sie zwischen 2 Rüden lagen. Oder aber, weil bereits das Muttertier sehr hoch im Testosteron lag und diesen über die Nabelschnur an ihre Föten weitergegeben hat. Das kann bei diesen Hündinnen zur Folge haben, dass diese Tiere ihr ganzes Leben lang einem erhöhten Testosteronspiegel aufweisen. Wenn diese Hündinnen bereits in der Vergangenheit Aggressiv auffällig geworden sind, und man von dieser Androgenisierung ausgehen kann, kann man davon ausgehen das sich die Aggression im Falle einer Kastration mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit verschlimmern wird.

Wann ist eine Kastration aus Verhaltensbiologischer Sicht sinnvoll?

Beim Rüden

Im Falle einer „echten Hypersexualität“

Beim Rüden kann eine Kastration nur im Falle einer „echten“ Hypersexualität Linderung bringen, d.h. immer dann wenn sich das Leben des Rüden wirklich nur noch um „Sex“ zu drehen scheint, das sind Tiere die Stundenlang vor der Türe sitzen und jaulen weil sie den Duft einer Läufigen Hündin in der Nase haben, Rüden die bei der kleinsten sich bietenden Chance durchstarten um vor dem Haus der Hündin auf deren Eintreffen zu warten. Rüden die Tagelang nichts fressen können, weil sie so viel Herzchen in den Augen haben das fressen einfach nicht mehr möglich ist…. Hier gilt es wirklich ganz genau hinzuschauen, welche Motivation hinter dem jeweiligen gezeigten Verhalten steht, die Frage ist hier stets immer, einfach nur unerzogen oder wirklich extrem Sexualhormongesteuert? Aus meiner eigenen Praxis kann ich dir versichern, das bisher in den allermeisten Fällen eher der erstere Fall eingetroffen ist, Rüden mit einem übersteigertem Sexualverhalten sind in der Praxis doch eher seltener anzutreffen als man denkt.

Bei der Hündin

Angst oder Aggressionsverhalten im direkten Zusammenhang mit der Läufigkeit

Bei der Hündin hat sich eine Kastration nur bewährt, wenn das unerwünschte Angst- bzw. Aggressionsverhalten im unmittelbaren Zusammenhang mit der Läufigkeit steht. Aber auch wirklich nur dann. Wenn sie dieses Verhalten auch außerhalb dieser Zeit zeigt, sollte man auch hier unbedingt die Finger davonlassen, da dann mit Sicherheit andere Hormonkreise dafür verantwortlich sind und somit eine Kastration keine Verbesserung, oftmals jedoch sogar noch eine Verschlimmerung des Verhaltens bringen wird.

Bei Rüde und Hündin

Ein weiterer Grund der bei Rüden und Hündin für eine Kastration sprechen kann, ist die Kastration Aufgrund Statusaggression

Aber auch hier gilt es ganz genau hinzuschauen und kommt für mich ehrlich gesagt nur in Betracht, wenn es darum geht das z.B. 2 im selben Haushalt lebende Rüden immer dann Aufeinander los gehen, wenn eine läufige Hündin oder zumindest der Duft dieser im Spiel ist. Oder aber 2 Unkastrierte Hündinnen immer in der Zeit der Läufigkeit aufeinander losgehen. „von diesem Phänomen kann auch mein eigenes Rudel ein Lied singen 😊“ Zeigt der eigene Rüde, oder die eigene Hündin dieses Verhalten nur bei Rudelfremden Kontrahenten halte ich persönlich die Alternative, eines vernünftigen Managements für die bessere Entscheidung. Hier wären wir wieder an dem Punkt „wer mit den Sexualhormonen seines Hundes nicht zurechtkommt, der sollte sich keinen halten“.

Fazit:

Wie du sicher gesehen hast ist die Frage für oder gegen eine Kastration nicht so leicht zu beantworten und sollte immer als Einzelfallentscheidung betrachtet werden, hormonelle Zusammenhänge sind ein sehr komplexes Thema und können leider in keinem Fall verallgemeinert werden. Auch wenn eine differenzierte Verhaltensanalyse- und Beurteilung sehr schwierig ist, ist sie dennoch unumgänglich um eine Verschlimmerung eines Problemverhaltens durch eine Kastration zu verhindern.

Mein Tipp:

Bevor du dich für die Kastration deines Hundes entscheidest solltest du dich immer zuerst einmal an einen geschulten Verhaltenstherapeuten wenden, der dazu in der Lage ist das Verhalten deines Hundes einschätzen zu können.

Weiterhin besteht in der heutigen Zeit auch zum Glück die Möglichkeit des Kastrationsprobelaufs mit Hilfe eines Hormonchips, was ich persönlich für eine extrem gute Sache halte. Da diese Methode zum Glück reversibel ist, da die Wirkung je nach Implantat auf 6-12 Monate begrenzt ist. Das hat den Entscheidenden Vorteil, wenn man vielleicht bei der Entscheidung dafür doch ins Klo gegriffen hat und sich das Verhalten das sich durch eine Kastration eigentlich verbessern sollte, nun doch plötzlich verschlimmert hat, muss man zwar für ein paar Monate damit leben, aber hat darüber zumindest die Chance seinen „alten“ Hund zurückzubekommen. Ist jedoch erst einmal das Skalpell angelegt, gibt es leider kein zurück mehr.